K - Magazin der Kaffeehäuser 2020 - 03

K 11 Wenn sich nichts ändert, gehen wir wieder auf die Straße, nehmen Sie das Beispiel „Fri- days For Future“. Jetzt ist klar geworden, dass der Zustand nicht mehr haltbar ist. Ich bin aber Optimist und glaube nicht,dass man sich wie in den 70ern Straßenschlachten bieten muss. Die Spaltung, die wir jetzt verspüren, fühlt sich deshalb so hart an, weil wir davor eine Phase der massiven Solidarität hatten, wenn man an den Lockdown zurückdenkt. Historisch gesehen gibt es keine bessere Zeit als nach einer Pandemie: Die Goldenen Zwanziger Jahre waren nach der Spanischen Grippe, die Renaissance war nach dem Schwarzen Tod. Eine Pandemie richtet den Blick auf soziale, gesellschaftliche Strukturen, auf soziale Stärken, Unfairness und Unter- schiede.Der Umschwung wird ein gradueller Prozess sein, aber wir haben viel dazugelernt. K: Und die Spaltung zwischen Jung und Alt? Horx: Ich versuche, dieses Generationen- denken aufzulösen, einerseits die Millennials und die Generation Z, andererseits die Boo- mer.Dieser Konflikt wurde durch Fridays For Future noch einmal ganz hart ausgetragen, weil die Krise vor der Türe steht. Der alte Generationenvertrag – die Jungen bezah- len die Alten – geht sich einfach nicht mehr aus.Wir haben nicht mehr genug Kinder in Europa. Anstatt den Generationenvertrag, der auf physischer, menschlicher Arbeit basiert, als Zombie am Leben erhalten zu wollen, muss man über Themen wie Auto- matisierung oder Digitalisierung usw. spre- chen. Die Z-ler bezeichnen sich als Doomer, weil sie nicht einmal mehr in ein dreijähriges, unbezahltes Praktikum kommen, ganz zu schweigen in einen Job. Man muss jetzt um- denken, die nächste Generation wird es nicht zwingend besser haben als die davor. Irgend- wann endet das in Apathie oder Saufpartys. Sie haben durch diesen Lockdown ein ziem- liches Trauma erlebt, sich aber während des Lockdowns verdammt gut benommen. Jetzt suchen sie langsam wieder ihren Lebensstil. K: Was kann man dagegen tun? Horx: Das System umkrempeln, das Problem offen und ehrlich ansprechen und übliche Generationenklischees, dass die Jungen faul und zu empfindlich seien, auflösen. Der Bil- dungsstandard ist höher denn je, vor allem auch bei Frauen. Frauen sollten das poli- tische System übernehmen. Länder, die von Frauen geleitet werden, haben das viel besser gemacht. Die Probleme des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht lösen, indem man so lange draufhaut bis sie weggehen oder Kriege star- tet. Die Älteren dürfen auch nicht das Gefühl haben, sie werden persönlich kritisiert. In der Realität wurde das System kritisiert.DieWelt, die die Baby-Boomer gebaut haben, war die beste, die wir jemals gehabt haben. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, das System muss nur angepasst und gewandelt werden. K: Gelingt uns jetzt der notwendige Struktur- wandel, vor allem im sozioökonomischen System? Horx: Das wird die normative Kraft des Fak- tischen machen. Es geht einfach nicht mehr anders, irgendwann sind alle Systeme über- lastet. K: Viele haben jetzt Angst auszugehen … Horx: Das was Kaffeehäuser haben, wird in der Zeit nach Corona sehr wichtig. Ich warne aber davor, jetzt auf die schnelle Kurz- lösung zu setzen, die wird es nicht geben. Wir sollten eher den Blick nach vorne rich- ten, natürlich werden wir flexibler arbeiten, und das Kaffeehaus ist ein Entschleunigungs- ort, ein Ort der Begegnung. Das ist seine inhärente Stärke, ein Gut, das wieder wich- tig wird. Die Nachricht kann momentan nur lauten: Durchhalten! Normalität werden wir im Idealfall erst nächsten Sommer haben. „Corona hat nichts getan, was uns total über- rascht hat, sondern Dynamiken beschleunigt, die wir bereits gesehen haben.“ TRISTAN HORX Ursula Scheidl, picturedesk.com

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